Die Closes von Edinburgh
Die Altstadt von Edinburgh bestand ursprünglich aus der Hauptstraße, die heute als Royal Mile bekannt ist, und einer großen Anzahl kleiner Gassen, die nach Norden und Süden führten. Das kann man sich wie eine Fischgräte vorstellen. Diese ‘Gräten’ führen zu offenen Innenhöfen und werden daher als „courts“ bezeichnet. Andere sind breit genug für ein Pferd und einen Karren und werden „wynds“ (von ‘winding’, sich (um die Ecke) schlängeln) genannt, ein Hinweis auf die Art und Weise, wie der Gassenverlauf ist. Die meisten dieser Gassen werden jedoch als „closes“ bezeichnet, da sie zu Privateigentum führen und daher oft für die Öffentlichkeit unzugänglich sind.
Die Royal Mile hat ca. 80 dieser Gassen und sie alle zu finden ist wie auf Schatzsuche zu gehen. Man weiß nie genau was man am Ende einer Gasse findet – einen mittelalterlichen Innenhof mit Rosenbüschen oder einen Ort wo die Anwohner ihre Mülltonnen aufbewahren. Denn man darf nicht vergessen, es leben noch Tausende von Menschen entlang der Royal Mile. Deswegen immer bitte die Privatsphäre der Einheimischen berücksichtigen – das Museum lebt.
Cadenhead’s Shop, Royal Mile
Bereits im Mittelalter war die Royal Mile von einzelnen Grundstücken gesäumt, auf denen Wege vorhanden waren, um Zugang zum dahinter liegenden Land zu erhalten. Als jedes Grundstück im Laufe der Zeit aufgebaut wurde (es wurde meist hoch gebaut – bis zu 10 Stockwerke hoch, Europas erste Hochbauten), entwickelten sich diese Wege oder ‘closes’ zu engen Gassen, die Innenhöfe und Straßen hinter der Royal Mile verbinden. Hohe Gebäude auf beiden Seiten gab diesen ‘closes’ ein schluchtähnliches Aussehen und eine unverwechselbare Atmosphäre. Für jeden, der die langen Treppen hinuntergeht, entsteht der Eindruck, in die Unterwelt zu gehen.
Fishers Close
Die Closes wurden normalerweise nach einem denkwürdigen Bewohner einer der Wohnungen benannt, die durch den gemeinsamen Eingang erreicht wurden, oder nach einem Gewerbe, das von einem oder mehreren Bewohnern ausgeübt wurde.
Eine der schönsten ist die Bakehouse Close. Der heutige Name stammt von dem Backhaus auf der Westseite des Innenhofes. Dieser umfasste die Quartiere der Bäcker, Schmiede und der Familie Acheson - Hofpersonal von König James VI. und Charles I.
Wenn diese ‘close’ bekannt vorkommt: Bakehouse Close war als Carfax Close in der 3. Staffel von Outlander zu sehen.
Bakehouse Close
Schräg gegenüber findet man auch eine ‘Close’ mit einem bekannten Namen: Forsyth Close. Hat aber nichts mit dem Gründer von Wandern Schottland zu tun (glauben wir), sondern mit einem Einwohner, der in dem Innenhof Bestallungen für Pferde hatte.
Forsyth's Close
Ein sogenanntes ‘Coaching Inn’ für Reisende, die damals mit Kutsche und Pferde unterwegs waren, kann man nebenan in der ‘White Horse Close’ finden. Das aus 1623 stammende Inn wurde in den 60er Jahren restauriert und beherbergt Privatwohnungen.
White Horse Close
Dunbar Close hat ihren Namen von dem Edinburgh Schriftsteller, David Dunbar, der im 18. Jahrhundert dort Mietshäuser besaß. Heutzutage kehren aber viele in die Dunbar Close ein, da sich im Innenhof ein wunderbaren Garten findet. Ein Platz der Ruhe inmitten einer beschäftigten Stadt.
Dunbar Close Garden
In den Closes der Royal Mile lohnt es sich auch immer nach oben zu schauen. Nicht nur um den Tauben auszuweichen (ihr seid gewarnt worden) sondern auch um wunderschöne Steinmetzarbeiten zu bestaunen (mit geschlossenem Mund).
Die Paisley Close hat eine dieser wunderbaren Arbeiten, die eine Figur darstellt mit dem Schriftzug: “Heave awa‚ chaps, ah'm no‚ deid yet”. Im Schottischen bedeutet das “Hebt weiter an, Jungs, ich bin noch nicht tot!”.
Die Hochhäuser an der Royal Mile standen nicht immer auf sicherem Fuße und im Jahre 1861 stürzte ein Mietshaus in der benachbarten Baillie Fyfe’s Close ein. Es kamen 35 Menschen ums Leben. Das Bild am Eingang zur Paisley Close ist das von Joseph McIver, einem 12-jährigen Überlebenden des Unglücks, der in Sicherheit gebracht wurde, nachdem die Retter seinen Ruf gehört hatten “heave away, chaps, I’m not dead yet”!
Paisley Close - Heave Awa' Chaps, I'm no dead yet
Zum Schluss eine der wahren Juwelen der Royal Mile: Tweeddale Court.
Sobald man durch die schmiedeeisernen Tore dieser Gasse schreitet, begibt man sich auf Zeitreise. Man findet sich im Mittelalter wieder, mit Kopfsteinpflaster und alten Hausfassaden. Vor einem erhebt sich Tweeddale House, das im 16. Jahrhundert gebaut wurde und das Zuhause von Earl of Tweeddale war, ein direkter Berater von König Charles I. Es gibt sogar einen Unterstand für Sänften, mit denen die reicheren Bürger über die schmutzigen Straßen getragen wurden.
Auch hier wurden Szenen für Outlander gedreht.
Tweeddale Court
Für mich gehören die Closes zu Edinburgh wie Dudelsack und Castle und es ist ein Erlebnis alle 80 zu entdecken. Man lässt seine Fantasie spielen hinter den verschlossenen Gittertoren, kann zu einem Stück Kuchen oder einem Pint bei anderen einkehren. Wenn Edinburgh die Schatztruhe ist, ist jede Gasse wie ein Goldstück mit seiner eigenen Geschichte.
Hidden Close
Wer die Royal Mile gerne mal mit Stef erkunden möchte, kann gerne bei uns anfragen. Stef kann auch Tagestouren in und um Edinburgh organisieren.
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